Dokumentarische Ausstellung im LTPES Mersch und Livingen
Nicht unter den Teppich kehren …
„Passagen – Stationen zur Geschichte der erzieherischen und sozialen Arbeit in Luxemburg“
Sozialarbeit von gestern nicht nur für Sozialarbeiter von morgen: „Passagen“ in Mersch.
von Roland Houtsch (Luxemburger Wort)
Eine Ausstellung bedingt potenzielles Interesse und ist oft auch die Krönung einer Arbeit – ihre Anerkennung in breiterem Rahmen. So funktioniert „Passagen“ nicht, im Gegenteil. Die Fülle an brachliegendem Material, das hier zusammengetragen wurde, lässt eher auf vorheriges Desinteresse schließen. Die wichtigen und selbstlosen Aktivitäten, die im Lycée technique pour Professions éducatives et sociales (LTPES) in Mersch erstmalig kohärent dokumentiert waren, sind eher Ausgangspunkt denn Abschluss der Forschungsarbeit.
Dr. Ulla Peters (Universität Luxemburg) und Dipl. Soz. päd. Peter Witt (LTPES) registrierten in ihrer Arbeit mit angehenden Sozialarbeitern in Livingen und Mersch immer wieder die fragmentarische, nicht aufgearbeitete Geschichte Luxemburger Sozialarbeit. „Passagen“ entspringt dem Bewusstwerden dieses Mangels. Ursprünglich verfolgten sie zwei Ziele: Lehrmaterial für den Unterricht zusammentragen und die sozialen Berufe in ihrer Tradition verorten, als professionelle Selbstvergewisserung eines stark veränderlichen Berufsbilds.
Peters und Witt schränkten ihre Recherche zweifach ein. Die Ausstellung reicht vom 17. Jahrhundert bis zur Zäsur in den 1970er Jahren, als viele staatliche Institutionen soziale Aufgaben von den traditionell engagierten religiösen Orden zu übernehmen begannen. Sie beschränkt sich auch auf Sozial- und Erziehungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen.
Aus der Vergangenheit lernen?
Trotzdem stießen sie auf ergiebige Quellen. Es mangelte im sozialpädagogischen Bereich nicht an konfessionellen und privaten Initiativen, die auch zumindest leidlich dokumentiert sind. Es fehlte aber eine projektübergreifende, allgemeine Verarbeitung der Geschichte der Sozialarbeit, die letztlich allein eine korrekte Evaluierung ermöglicht und auch erlaubt, aus den Problemen der Vergangenheit zu lernen.Die Ausstellung präsentiert sich in drei Achsen, private, konfessionelle und staatliche Träger berücksichtigend. Das in Mersch gezeigte Material – Texte, viele auch emotional wertvolle Originalfotos, Originaldokumente, Literatur, Publikationen und Gesetzestexte – porträtiert Institutionen und Personen. Zusätzlich wird versucht, herauszufinden, was man denn unter Erziehung verstanden hat und wie man dies umsetzte. Die Dokumentierung soll (eventuell in einem zu schaffenden Sozialarchiv) weitergeführt und auch sozialpädagogisch erforscht werden.Wer waren Marie Zorn, Jacques Stas und Moritz Schienbein, Auguste Ulveling, Ferd Oth …? Wo standen das erste Waisenhaus, die erste Crèche? Durften Mädchen ins Waisenhaus? Wann kamen zum ersten Mal geistig behinderte Kinder ins Institut St-Joseph in Betzdorf, das sich zunächst um Blinde und Gehörlose kümmerte? Was hat es mit der „Rhum“ auf sich, die früher in der familiären Kindererziehung als abschreckendes Beispiel herhalten musste?
Über den pädagogischen Wert hinaus, beschwört die Ausstellung das Bild von den Anfängen eines armen, agraren, von Krankheit, Krieg und Katastrophen heimgesuchten Landes, das zu Zeiten des Finanzplatzes allzu leicht verdrängt wird.
Das verdrängte Luxemburg
Und es zeigt, dass auch im Sozialwesen die „Bottom-Up“-Projekte blühten und dass es, zumindest bei der Dokumentation und Auswertung ihres Niederschlags, bis zu „Passagen“ an Koordination fehlte. „Passagen“ ist allein deshalb allgemein interessant, nicht nur für im Sozialwesen Tätige und LTPES-Schüler. Die Ausstellung zieht um und ist vom 1. März bis zum 12. Mai im LTPES Livingen zu sehen, wochentags von 10 bis 12.30 und von 14 bis 16 Uhr; Tel. 52 35 251.
(Dieser Artikel erschien am 19. Februar 2007 im Luxemburger Wort, www.wort.lu)