Neubestimmung des Lernens in einer Zeit des Umbruchs Konferenz „Jugendarbeit als Bildung(sarbeit)“ auf Campus Walferdingen VON ROLAND HOUTSCH (Luxemburger Wort)
„Bildungspolitik muss sich immer wieder neu orientieren“, meinte Jugendforscher Helmut Willems von der Universität Luxemburg zur Einleitung eines Gastvortrags durch Benedikt Sturzenhecker vor Wochenfrist in den Räumen der Geisteswissenschaftlichen Fakultätin Walferdingen. Wettbewerbsfähigkeit, Leistungsbereitschaft und Kompetenz hießen die neuen Herausforderungen in einer demografischen Situation, die nicht für Europa spreche, ergänzte Willems.
Vor diesem Hintergrund versteht sich besser, was unter Entgrenzung von Bildung zu verstehen ist. Diese geschieht sowohl individuell lebenszyklisch – Stichwort lebenslanges Lernen – als auch räumlich-geografisch – also nicht ausschließlich in der Schule. Es entstehen formelle, non-formale und informelle Bildungsprozesse, die Thema des von der ANCE („Association nationale des communautés éducatives“), dem Service national de la Jeunesse und der Forschungseinheit Inside der Universität Luxemburg / FLSHASE organisierten Vortrags mit Diskussion waren.
Vor vielen Zuhörern war Benedikt Sturzenhecker ein engagierter und pragmatischer Verfechter von Bildungsarbeit in Jugendhäusern. Seine feine Unterscheidung zwischen Erziehung als unvermeidbare, fremdbestimmte Einflussnahme und Bildung als selbstbestimmte Aktivität war allerdings wegen der offensichtlichen Verzahnung beider Begriffe nur schwer durchzuhalten. Dienlich ist die Sichtweise aber, weil sie die Bildungsassistenz einführt: Weil Bildung nicht erzwungen werden kann, muss die Jugendarbeit sie anregen und ermöglichen. Sturzenheckers Analyse der Luxemburger Gesetzestexte fällt positiv aus: Freiwilligkeit, Orientierung an den Wünschen, Interessen und Bedürfnisse der Jugendlichen und demokratische Mitbestimmung finden seine Zustimmung. Defizite sieht er, wenn auch nicht Luxemburg-spezifisch, beim Berufsbild des Jugendarbeiters. Hier moniert er wenig Öffentlichkeitsarbeit, die den sozialen Beruf in den Augen anderer aufwerten könnte. Der Beruf sei sich zu wenig bewusst, dass er nicht erzieht sondern bei der Bildung assistiert und die Initiative deshalb den Jugendlichen überlassen muss. Mit „Handlungswahn“ („Wir müssen etwas machen, damit ihr etwas lernt“) sei dem Publikum der Jugendhäuser nicht beizukommen.
Der Jugendarbeiter müsse besser auf die Jugendhäusler hören und ihre Andeutungen und Anregungen aufnehmen. Selbst, wenn es für ihn schwer sei, den „Freiraum“ des Nicht-Erziehen-Müssens, der das Jugendhaus von der Schule unterscheidet, auszuhalten. Interessante Beispiele aus der Luxemburger Jugendarbeit, zur Forschung über Jugendhäuser, zur Anerkennung von Bildung auf außerschulischem Weg sowie von einem Jugendprojekt gegen Gewalt rundeten den Abend ab.
049_LW-Artikel_12_März_2007_Stuzenhecker.pdf